
Dienstag, 30. Juni 2009 / Mardi, 30 juin 2009
Symposien klein / Symposiums courts 08.30 – 10.00
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Das Befinden im Unterricht
Momentanes Befinden, Erlebensqualität, Experience Sampling Method, Integration, Mo-
tivation
Vorsitz und Einleitung:
Venetz, Martin
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik
martin.venetz@hfh.ch
Einleitung
Momentane affektive Zustände wie Emotionen, aktuelles Befinden oder Stimmungen
sind mit motivationalen sowie kognitiven Prozessen verknüpft und steuern im Zusam-
menspiel das menschliche Verhalten (Carver & Scheier, 2008; Russell, 2003). Im schu-
lischen Kontext gibt es eine ganze Reihe von Studien, die sich mit Effekten negativer
affektiver Zustände – ein typisches Beispiel dazu ist die Prüfungsangst (Zeidner, 1998)
– auf das Lernen befasst haben. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass auch po-
sitive Befindenszustände eine wesentliche Rolle für das Lernen, die Lernmotivation, die
Interessensbildung oder die schulische Leistung spielen (Jerusalem & Pekrun, 1999;
Schutz & Pekrun, 2007). Allerdings existieren bislang nur wenige Studien, die das sub-
jektive momentane Befinden von Schülerinnen und Schülern direkt in ihrer natürlichen
Lernumgebung – im ganz konkreten Unterricht – untersucht haben.
Eine neue Gruppe von methodischen Verfahren, die in der Literatur unter den Namen
Experience Sampling Method (ESM) (Scollon, Kim-Prieto & Diener, 2003), Ecological
Momentary Assessment (EMA) (Shiffman, Stone & Hufford, 2008) oder Ambulantes
Assessment (Fahrenberg, Myrtek, Pawlik & Perrez, 2007) bekannt sind, ermöglicht die
«momentary capture of real-world data» (Stone & Litcher-Kelly, 2006) und eröffnet da-
mit einen neuen Zugang zu verschiedenen Typen von Forschungsfragen (Bolger, Davis
& Rafaeli, 2003).
Im Symposium werden drei ESM-Studien vorgestellt, in deren Zentrum das aktuelle
Erleben von Lernenden bzw. von Lehrpersonen in ihrem natürlichen Alltag steht. Allen
drei Untersuchungen liegt zur Erfassung des momentanen Befindens ein integratives
Modell – das so genannte Circumplex-Modell affektiver Zustände – zu Grunde (Posner,
Russell & Peterson, 2005; Russell & Feldman Barret, 1999). Im Fokus des ersten Bei-
trags stehen die Beziehungen zwischen Lernmotiven und dem Unterrichtserleben von
Kindern in heterogen zusammengesetzten Schulklassen. Der zweite Beitrag geht der
Frage nach, wie hörgeschädigte Kinder, die in Regelklassen integriert sind, den Alltag
im Allgemeinen und den Unterricht im Besonderen im Vergleich zu hörenden Kindern
erleben. Der dritte Beitrag richtet den Blick auf das momentane Befinden von Lehrper-
sonen in Arbeit und Freizeit: Hier steht die Frage im Vordergrund, wie Klassenlehrper-
sonen und Fachkräfte Schulischer Heilpädagogik den gemeinsam verantworteten Un-
terricht erleben.
Basierend auf den Befunden der vorgestellten Studien sollen an der anschliessenden
Diskussionsrunde Implikationen für die Unterrichtpraxis von Klassen, in welchen Schü-
lerinnen und Schüler mit und ohne besonderem Förderbedarf gemeinsam in Regelklas-
sen unterrichtet werden, diskutiert werden – angesichts dem Ausbau von Schulen mit
integrativer Ausrichtung und den damit verbundenen Kontroversen ein sehr aktuelles
Thema.
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Symposien klein / Symposiums courts 08.30 – 10.00
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Literatur
Bolger, N., Davis, A. & Rafaeli, E. (2003). Diary Methods: Capturing Life as it is Lived.
Annual Review of Psychology, 54, 579-616.
Carver, Ch. S. & Scheier, M. F. (2008). Feedback Processes in the Simultaneous
Regulation of Action and Affect. In J. Y. Shah & W. L. Gardner (Eds.), Handbook of
motivation science (S. 308-324). New York: Guilford Press.
Fahrenberg, J, Myrtek, M., Pawlik, K. & Perrez, M. (2007). Ambulantes Assessment –
Verhalten im Alltagskontext erfassen. Eine verhaltenswissenschaftliche Herausforde-
rung an die Psychologie. Psychologische Rundschau, 58 (1), 12-23.
Jerusalem, M. & Pekrun, R. (1999). Emotion, Motivation und Leistung. Bern: Hogrefe.
Posner, J., Russell, J. A. & Peterson, B. S. (2005). The circumplex model of affect: An
integrative approach to affective neuroscience, cognitive development, and psycho-
pathology. Development and Psychopathology, 17, 715-734.
Russell, J. & Feldman Barrett, L. (1999). Core Affect, Prototypical Emotional Episodes,
and Other Things Called Emotion: Dissecting the Elephant. Journal of Personality
and Social Psychology, 76 (5), 805-819.
Russell, J. A. (2003). Core Affect and the Psychological Construction of Emotion. Psy-
chological Review, 110 (1), 145-172.
Schutz, P. A. & Pekrun, R. (2007). Emotion in Education. Amsterdam: Elsevier.
Scollon, Ch. N., Kim-Prieto, C. & Diener, E. (2003). Experience Sampling: Promises
and Pitfalls, Strengths and Weaknesses. Journal of Happiness Studies, 4, 5-34.
Shiffman, S., Stone, A. A. & Hufford, M. R. (2008). Ecological Momentary Assessment.
Annual Review of Clinical Psychology, 4, 1-32.
Stone, A. A. & Litcher-Kelly, L. (2006). Momentary capture of real-world data. In M. Eid
& E. Diener (Eds.), Handbook of Multimethod Measurement in Psychology (S. 61-
72). Washington: American Psychological Association.
Zeidner, M. (1998). Test anxiety: The state of the art. New York: Plenum Press.
Beiträge:
Die Erlebensqualität Lernender in integrativen Schulformen (ISF)
Tarnutzer, Rupert
Hochschule für Heilpädagogik
Erlebensqualität, Flow-Erleben, momentanes Befinden, Motivation, Integrative Schul-
form, Lernende mit Schulschwierigkeiten, Experience Sampling Method
Durch den verstärkten Ausbau integrativer Schulmodelle in der Volksschule werden
Lernende mit Förderbedarf vermehrt in Regelklassen mit heilpädagogischer Unterstüt-
zung unterrichtet. In entsprechenden Studien zur emotionalen und leistungsmotivatio-
nalen Integration (Haeberlin, Moser, Bless & Klaghofer, 1989; Preuss-Laussitz, 2002,
2005) wurden Selbsteinschätzungen zum Befinden oder zum Selbstkonzept der Bega-
bung im Sinne reflektierter Kognitionen erhoben. Erhebungen, die sich in ökologisch
valider Form mit der Qualität des Erlebens von Lernenden mit Förderbedarf in konkre-
ten Unterrichtssituationen befassen, fehlen bislang. Studien weisen jedoch darauf hin,
dass eine positive Qualität des Erlebens einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung
und Stabilisierung der Lernmotivation leistet.
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