Mittwoch, 1. Juli 2009 / Mercredi, 1er juillet 2009
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schen den Lehrpersonen einen positiven Effekt auf die Bewältigung der Organisations-
und Entwicklungsprozesse und auf wichtige Dimensionen schulischer Qualität hat. Bis-
herige empirische Studien verweisen aber nur auf schwache Effekte, zudem ist die Be-
fundlage keineswegs konsistent.
In dieser explorativen Studie wurde untersucht, inwiefern sich unterschiedliche Grade
realisierter Kooperation von Lehrkräften in deren Einschätzungen zu Aspekten von
Schule, Unterricht und Wohlbefinden abbilden und welche Bedeutung Kooperation von
Lehrpersonen im Rahmen schulischer Qualitätsentwicklung erlangt. Für den aktuellen
Beitrag stehen folgende Fragen im Zentrum: Sehen Lehrpersonen von Kollegien, an
denen in höherem Masse kooperiert wird, die Qualität ihrer Institution und ihrer Arbeit
günstiger als solche, welche dies in geringerem Masse tun? Was sagen Lehrpersonen
und Schulleitung zu Formen von und Einstellungen zu Kooperation und zum Qualitäts-
managementauftrag der Schulentwicklung?
Die schriftliche Erhebung bei sämtlichen Lehrpersonen von 9 der 22 Zürcher Gymna-
sien fand im 2004 statt. Diese 9 Schulen haben sich freiwillig an der Lehrpersonenbe-
fragung beteiligt, entsprechen aber einer repräsentativen Auswahl aller Gymnasien im
Kanton Zürich (Halbheer & Kunz, 2004). Zum Einsatz gelangte ein Instrument zur Er-
fassung von Lehrpersonen-Kooperation (vgl. Steinert et al., 2006), welches auf der Ba-
sis von 20 Items eine Zuordnung der Schulen zu fünf invariaten Niveaus der Kooperati-
on als postuliertem Indikator von Schulentwicklung erlaubt. Nach der Rückmeldung die-
ser Fragebogen-Ergebnisse wurden an fünf der neun Schulen zusätzlich Interviews mit
Lehrpersonengruppen und der Schulleitung geführt, um Einblick in das „Innenleben“ der
Schulen bezüglich der Frage nach Kooperation zu geben.
Als zentraler Befund gilt, dass die Kooperation an den untersuchten Zürcher Gymna-
sien ein insgesamt gutes Niveau erreicht und sich die Schulen im Ausmaß ihrer Koope-
ration deutlich unterscheiden (Steinert et al., 2006; Halbheer, Kunz & Maag Merki,
2008). Im Fallvergleich zwischen den beiden Schulen der Stichprobe mit dem öchsten
und tiefsten erreichten Level von Lehrerkooperation zeigen sich in vielen Fällen be-
deutsame Effekte sowie signifikante Differenzen zu Gunsten der kooperationsfreudige-
ren Schule, insbesondere hinsichtlich schulischer Organisation und der individuellen
Ebene des Wohlbefindens. Vor allem an der Schule mit den höchsten Kooperations-
ausprägungen zeigt sich aufgrund der Selbstreferenzen ein produktives Muster von
Kooperation, welche auch mit einer positiveren Einstellung zum Qualitätsmanagement
einhergeht. Dieser proaktive Rekontextualisierungstyp setzt die reglementarischen
Rahmenbedingungen angepasst an die eigene Situation aktiv um, dabei gehört Koope-
ration verbindlich zum Konzept. Dies geht jedoch mit verstärktem Kohäsionsdruck und
Vereinnahmung der einzelnen Lehrpersonen einher. Beim defensiv-reaktiven Rekon-
textualisierungstyp ist Kooperation nicht zwingend und verbindlich, sondern erhält einen
relativ informellen und pragmatischen Charakter. Bei verpflichtender Kooperation kann
dies zu Abwehr und Pseudokooperation führen.
Literatur
Fend, H. (2006). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungs-
systemen. Lehrbuch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Fullan, M. (1999). Die Schule als lernendes Unternehmen. Konzepte für eine neue Kul-
tur in der Pädagogik. Stuttgart: Klett-Cotta.
Gräsel, C., Fussangel, K. & Pröbstel, C. (2006). Lehrkräfte zur Kooperation anregen –
eine Aufgabe für Sisyphos? Zeitschrift für Pädagogik, 52(2), 205-219.
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Halbheer, U. & Kunz, A. (2004). Profile von Zürcher Mittelschulen aufgrund "Pädagogi-
scher EntwicklungsBilanzen" (PEB). Quantitative Analysen von Wahrnehmungen
von Lehrpersonen. Unveröffentlichte Lizenziatsarbeit des Pädagogischen Instituts
der Universität Zürich, Zürich.
Halbheer, U., Kunz, A., Maag Merki, K. (2008). Kooperation zwischen Lehrpersonen in
Zürcher Gymnasien. Eine explorative Fallanalyse zum Zusammenhang zwischen
kooperativen Prozessen in Schulen und schulischen Qualitätsmerkmalen. Zeitschrift
für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 28. Jg. (1), 19-35.
Spiess, E. (2004). Kooperation und Konflikt. In H. Schuler (Hrsg.): Organisationspsy-
chologie – Gruppe und Organisation. Göttingen: Hogrefe (S. 193-247).
Netzwerkbasierte Schulkooperation als administrative Problembearbeitungsstra-
tegie: Empirische Ergebnisse einer Fallstudie in Baden-Württemberg
Emmerich, Marcus & Maag Merki, Katharina
Universität Zürich, Pädagogisches Institut
memmerich@paed.uzh.ch
Vergleichsstudien wie PISA und IGLU haben in den getesteten Kompetenzbereichen
ein nur durchschnittliches Niveau deutscher Schülerinnen und Schüler aufgezeigt und
gleichzeitig deutlich gemacht, dass deren soziale Herkunft erheblichen Einfluss auf die
Bildungsbeteiligung und die institutionelle Zuweisung von Bildungschancen nimmt (vgl.
Ehmke/Siegle/Hohensee 2003). Neben zentralisierenden Reformstrategien, die wie die
Einführung von Bildungs- und Qualitätsstandards, Schulevaluationen und –inspektionen
in Reaktion auf die identifizierten Qualitätsdefizite des deutschen Schulsystems initiiert
wurden, wird auch der Förderung dezentraler schulischer Kooperationsnetzwerke in
unterschiedlichen Handlungsfeldern zunehmend Bedeutung zugemessen (vgl. Maag
Merki 2009; Berkemeyer/Kuper/ Manitius/Müthing 2009). Schulische Netzwerke sollen
dabei der Entwicklung und Distribution pädagogischer Innovationen im Rahmen der
schulischen Qualitätsentwicklung (vgl. Dedering 2007; Berkemey-
er/Bos/Manitius/Müthing 2008), der Abstimmung formaler und non-formaler Bildungs-
angebote für eine strukturelle Verbesserung von Transitionsprozessen innerhalb des
Schulsystems und im Übergang Schule – Beruf sowie dem Aufbau von Unterstützungs-
systemen für die einzelschulische Qualitätsentwicklung dienen.
Jenseits der programmatischen Postulate wird allerdings die Problematik deutlich, dass
Konzepte der Vernetzung und Kooperation seitens des staatlichen Schulsystems als
Musterlösungen für heterogene Problemkontexte angeboten und seitens der Schulen
bzw. der einzelnen Lehrperson lediglich pro forma adaptiert werden.
Am empirischen Beispiel eines baden-württembergischen Modellprojekts, in dessen
Kontext netzwerkförmige Kooperationsstrukturen zwischen Schulen sowie zwischen
Schulen und ausserschulischen Partnern aufgebaut werden sollten, geht der Vortrag
den Fragen nach,
a) in welcher Form die Projektschulen die administrativ initiierten Netzwerke im
Kontext ihrer Kooperationsaktivitäten als Unterstützungsangebot nutzen,
b) welche Bedingungsfaktoren auf der Ebene der Einzelschule hierfür einflussreich
sind und
c) welche steuerungsintentionalen bzw. -transintentionalen Effekte auf Schulebene
beobachtet werden können.
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