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Zudem gibt es Hinweise, dass die Einführung zentraler Abiturprüfungen partiell zu einer
Stärkung der kognitiven Aktivierung und Unterstützung durch die Lehrpersonen sowie
zu gewissen Standardisierungen in den Beurteilungen geführt hat.
Literatur
Altrichter, H., Brüsemeister, T. & Wissinger, J. (Hrsg.). (2007). Educational Governan-
ce. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungswesen. Wiesbaden: VS Verlag
für Sozialwissenschaften.
Ditton, H. (2007). Schulqualität - Modelle zwischen Konstruktion, empirischen Befunden
und Implementation. In J. Van Buer & C. Wagner (Hrsg.), Qualität von Schule. Ein
kritisches Handbuch (S. 83–92). Frankfurt/Main: Peter Lang.
Fend, H. (2000). Qualität und Qualitätssicherung im Bildungswesen: Wohlfahrtsstaatli-
che Modelle und Marktmodelle. Zeitschrift für Pädagogik 41. Beiheft, 55–72.
Scheerens, J. & Bosker, R. J. (1997). The foundations of educational effectiveness.
Oxford: Pergamon.
Townsend, T. (Hrsg.). (2007). International Handbook on School Effectiveness and Im-
provement. Band 1 und 2. Dordrecht: Springer.
Pädagogische Rekonstruktion des Unterrich-
tens
Empirische Unterrichtsforschung als pädagogische Rekonstruktion des Unter-
richtens
Pädagogische Unterrichtsforschung, Sequenzanalyse, Kasuistik, Bildung, Erziehung,
Didaktik, Theorie des Unterrichtens
Vorsitz und Einleitung:
Pflugmacher, Torsten
Goethe-Universität Frankfurt/M., Inst. f. Pädagogik der Sekundarstufe
Diskutant:
Scheid, Claudia
PH Bern / Universität Potsdam
claudia.scheid@phbern.ch
Einleitung
Unterricht ist ein pädagogisches Geschehen mit dem Zweck, in institutionalisierter Form
Bildung und Erziehung von Schülern zu ermöglichen, wobei der Lehrer als Didaktiker in
einer Vermittlungsrolle auftritt. Nach über zwei Jahrhunderten didaktischer Theoriebil-
dung und mehreren Jahrzehnten Lehr-Lernforschung gibt es noch keine befriedigende
Theorie, mit der aufgeschlossen worden wäre, was Unterrichten als pädagogische Pra-
xis als Form "im Innersten zusammenhält". Dies hängt damit zusammen, dass die zu-
ständige Erziehungswissenschaft mit der pädagogischen Denkform vor allem das Ge-
schehen zu normieren und in Modellen auszulegen versucht hat, statt es als Prozess
zu rekonstruieren. Das Forschungsprojekt PAERDU wird von der Grundannahme ge-
tragen, dass Unterrichten erst zureichend verstanden werden kann, wenn man berück-
sichtigt, dass es durch pädagogische Erwartungen, Umgangsformen und Wertungen
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bestimmt wird. Dies gilt gleichermaßen für Lehrer und Schüler. Das Projekt soll zeigen,
dass die pädagogischen Normierungen aus der Praxis selbst tagtäglich hervorgehen,
eben als Zusammenspiel von unhintergehbaren Erwartungen, eingespielten Umgangs-
formen und permanent thematisch werdenden Wertungen. Die Form "Unterrichten"
entbindet unausgesetzt ihre pädagogische Eigenstruktur. Die kann erfolgreich bewältigt
werden und wir haben dann zu zeigen, nach welcher Verlaufsstruktur das der Fall war.
Die Praxis kann aber auch nach fixierbaren Regeln nicht erreichen, was sie anstrebt.
Unterricht wird dann als ein hoch routinisiertes Geschehen kenntlich, mit dem der mög-
liche Widerspruch zwischen Norm und Wirklichkeit stillgestellt wird. Dialektisch ist bei-
des miteinander verbunden.
Die Sequenzanalyse von Unterrichtstranskripten gibt Auskunft über die Verlaufsstruktur
der jeweiligen Unterrichtsstunde und ihre spezifische Logik. Will man diese gültig er-
schließen, muss man die Mechanismen freilegen, nach denen sich die Reaktionen des
Lehrenden wie der Unterrichteten sowohl auf die je verhandelte Sache als auch aufein-
ander in ihrem Sinngehalt entwickeln, darstellen und wiederholen. Jede Bemerkung der
Schüler und des Lehrenden eröffnet ein Spektrum von möglichen Anschlüssen, aus
dem jeweils motiviert ausgewählt werden muss. Die Analyse erfolgt also streng se-
quenziell, um zu zeigen, wie der Prozess eine Struktur bekommt. Für die Teilnahme am
Projekt konnten vier hessische Schulen gewonnen werden, die einen möglichst großen
Kontrast erwarten lassen: Eine große integrierte Gesamtschule mit hohem Migrante-
nanteil in der Schülerschaft, eine krisengeschüttelte Haupt- und Realschule, eine Re-
formgesamtschule, die als Versuchsschule andere Lernwege beschreitet, sowie ein
humanistisches Gymnasium, das bewusst auf eine mehrhundertjährige pädagogische
Tradition zurückblickt und eine dazu passende Schülerschaft hat. Die vier Schulen wer-
den über die Breite der Unterrichtsfächer (mit Ausnahme des Sport- und des Musikun-
terrichts) in der Regel der achten Klassen beobachtet. Dafür wurden in mehreren Pha-
sen über 200 Unterrichtsstunden aufgenommen. Anschließend wurden je Schule und
Fach zwei bis vier der transkribierten Stunden einer intensiven Sequenzanalyse unter-
zogen, die möglichst für die Spannweite des insgesamt aufgenommenen schulischen
Unterrichts stehen.
Literatur
Gruschka, Andreas: Auf dem Weg zu einer Theorie des Unterrichtens - Die wider-
sprüchliche Einheit von Erziehung, Didaktik und Bildung in der allgemeinbildenden
Schule -, Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft, Forschungsberichte
Band 5 Frankfurt 2005, 22006
Gruschka, Andreas: Präsentieren als neue Unterrichtsform. Die pädagogische Eigenlo-
gik einer Methode. Opladen 2008.
Gruschka, Andreas: Erkenntnis in und durch Unterricht - Über das Zusammentreffen
von Didaktik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, 2009 (im Druck)
Pflugmacher, Torsten: Try Pattern and Drill Error - Zwei Fallanalysen zur Fast-Food-
Didaktik mit didaktischen Fertigmaterialien, in: Pädagogische Korrespondenz
37/2007, S. 81-106.
Twardella, Johannes: Pädagogischer Pessimismus. Frankfurt 2008
Rosch, Jens: Das Problem des Verstehens im Unterricht. Frankfurt/M. 2009 (im Er-
scheinen)
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